1. Einleitung: Die große demokratische Illusion
In Sonntagsreden wird sie gepriesen, in Verfassungen garantiert: die Beteiligung des Volkes an politischen Entscheidungen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Die sogenannte „direkte Demokratie“ ist in Deutschland systematisch ausgehöhlt. Sie wird rechtlich zwar zugelassen, aber faktisch unterbunden. Insbesondere auf Bundesebene ist sie komplett ausgeschlossen – und auch auf Landesebene wird sie durch ein Dickicht aus Regelungen, Fristen, Hürden und Bürokratie nahezu unpraktikabel gemacht. Das Ergebnis ist eine Demokratie, die nur auf dem Papier partizipativ ist – in der Realität jedoch ein geschlossenes Herrschaftssystem aufrechterhält.
2. Der absichtliche Regel-Dschungel
Wer jemals versucht hat, eine Volksabstimmung durchzuführen, kennt die kafkaesken Strukturen. Es beginnt mit einem Volksantrag, der ein eigenes Gesetz enthalten muss. Dieser wird in der Regel beim Landtagspräsidium eingereicht. Bereits hier beginnt der bürokratische Kraftakt: Formale Anforderungen, juristisch exakte Formulierungen, Veröffentlichungen. Erst wenn ein erstes Quorum – oft nur ein paar Tausend Unterschriften – erreicht ist, darf das sogenannte Volksbegehren starten.
Doch was dann folgt, ist für viele Initiativen der Todesstoß: Innerhalb eines engen Zeitrahmens – meist sechs bis acht Monate – müssen Zehntausende bis Hunderttausende Unterschriften gesammelt werden, in der Regel handschriftlich, mit vollständigen Adressdaten und oft auf amtlich vorgedruckten Bögen. Es gibt keine digitale Sammlung. Keine zeitgemäße Infrastruktur. Kein Interesse an Effizienz. Der Staat tritt nicht als Ermöglicher, sondern als Verhinderer auf.
3. Ein strukturelles System der Blockade
Dieses System wirkt nicht zufällig so restriktiv – es ist absichtlich so gestaltet, um Volksgesetzgebung als Ausnahme und nicht als Normalfall zu erhalten. Die Hürden sind nicht technische Notwendigkeiten, sondern politische Barrieren. Warum ist es im 21. Jahrhundert nicht möglich, ein Volksbegehren digital zu unterzeichnen, wie es bei der Steuererklärung, Online-Wahlen von Vereinen oder selbst bei Bankgeschäften längst üblich ist? Die Antwort liegt in der politischen Kultur der Kontrolle statt Teilhabe.
Hinzu kommt: Selbst wenn das Volk alle Hürden überwindet und die nötige Zahl von Stimmen für eine Volksabstimmung zusammenkommt, kann der Landtag das Verfahren stoppen, indem er dem Anliegen zustimmt – und damit die Abstimmung verhindert. Paradox? Nein – systemisch. Denn so bleibt die Macht in den bestehenden Händen.
4. Bundesebene: Totales Demokratiedefizit
Auf Bundesebene ist die Lage noch desillusionierender. Volksentscheide sind schlicht nicht vorgesehen. Die Bürger können keine Gesetze initiieren, keine Themen auf die Tagesordnung setzen, keine Gesetzesvorschläge zur Abstimmung bringen. Alles, was bleibt, ist ein Kreuz alle vier Jahre – ein Mandat auf Zeit für Parteien, die danach faktisch frei sind, ihre Politik unabhängig vom Volkswillen umzusetzen.
Diese Konstellation schützt nicht die Demokratie, sondern entmachtet sie. Die Souveränität des Volkes wird in der Praxis auf ein Minimum reduziert.
5. Der Ausweg: Digitale Vollversammlung
Wenn die institutionellen Wege systematisch blockiert sind, bleibt nur ein neuer Weg: die digitale Vollversammlung des Volkes. Diese Idee greift nicht auf ein Gnadenrecht der Regierenden zurück, sondern beruft sich auf das ursprüngliche Recht jedes Menschen: Mitbestimmung über das Gemeinwesen. Die digitale Vollversammlung, wie von mir konzipiert, ermöglicht jedem Bürger, direkt an politischen Initiativen mitzuwirken, Gesetze zu formulieren, abzustimmen – schnell, sicher und transparent.
Dabei geht es nicht um eine App oder eine Umfrageplattform. Es geht um eine neue Form des demokratischen Selbstbewusstseins: Der Souverän tagt selbst – nicht symbolisch, sondern real. Nicht alle vier Jahre, sondern dauerhaft. Nicht unter der Kontrolle von Parteien, sondern auf Basis digitaler Infrastruktur, kollektiver Intelligenz und rechtlicher Klarheit.
6. Fazit: Wir brauchen einen demokratischen Systemwechsel
Die derzeitige Ordnung schützt die Macht der wenigen vor der Beteiligung der vielen. Die direkte Demokratie ist zur Fassade verkommen – kompliziert, archaisch, ineffektiv. Wer an echter Volksbeteiligung interessiert ist, muss erkennen: Es geht nicht mehr darum, den alten Apparat zu reformieren. Es geht darum, etwas Neues zu schaffen.
Die digitale Vollversammlung ist kein utopischer Traum, sondern eine notwendige Antwort auf ein demokratisches System, das sich selbst immunisiert hat. Es ist Zeit, die Demokratie zu entbürokratisieren – und dem Volk endlich die Mittel an die Hand zu geben, die ihm zustehen: Macht durch Beteiligung. Jetzt. Digital. Direkt.