Betrachtet man das inzwischen breit geleakte Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD, ergeben sich Aspekte, die weit über einen Angriff gegen eine unliebsame Opposition hinausgehen. Wir nehmen uns in diesem Beitrag drei wichtige Aspekte vor, die jeder für sich das Zeug hat, ein demokratisches Miteinander in dieser Gesellschaft zu zerstören.
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Folgende Punkte zum Verfassungsschutzgutachten stellen wir heraus:
- Ist Islamkritik schon verfassungsfeindlich?
- Extremismus ohne Tat – Die „gesamtheitliche Betrachtung“ als neue Waffe des Staates
- „Systemparteien“ als Straftat? Über den schmalen Grat zwischen Rhetorik und Repression
Ist Islamkritik schon verfassungsfeindlich?
„Der Islam gehört zu Deutschland.“ Als Christian Wulff diesen Satz 2010 aussprach, war die Aufregung groß. Er provozierte damit nicht etwa Extremisten, sondern bürgerliche Skepsis – jene Mehrheit, die differenzieren wollte zwischen Respekt und Kritik, zwischen Religionsfreiheit und politischem Islam. Heute, 15 Jahre später, scheint ein neues Dogma an seine Stelle getreten zu sein: Wer den Islam kritisch sieht, wird zum Verdachtsfall.
Ein Blick in das aktuelle Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) zur AfD legt diesen Verdacht nahe. Nicht etwa, weil dort der Islam explizit geschützt wird – sondern weil seine Kritik in Gänze unter Extremismusverdacht gestellt wird. Das ist nicht nur politisch brisant, sondern juristisch prekär. Und es wirft eine Grundsatzfrage auf: Gehört zur Demokratie auch das Recht, religiöse Ideologien in Frage zu stellen – oder endet hier die Meinungsfreiheit?
Die neue Logik der Verfassungswächter
Im Gutachten heißt es sinngemäß: Wer den Islam als „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“ darstellt oder muslimische Migranten pauschal als integrationsunfähig bezeichnet, zeige verfassungsfeindliche Tendenzen. Islamfeindlichkeit gelte als Indiz für eine „menschenwürdeverletzende Politik“.
Diese Argumentation mag auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheinen: Der Islam ist in Deutschland eine anerkannte Religion. Doch was genau bedeutet das? Heißt Respekt vor dem Glauben, dass Kritik am Inhalt nicht mehr erlaubt ist? Oder dass die Ablehnung religiöser Symbole, Praktiken oder politischer Ausprägungen – vom Kopftuch bis zur Scharia – zur Staatsfeindschaft erklärt wird?
Der Verfassungsschutz geht hier einen beunruhigenden Schritt weiter. Er bewertet nicht die konkrete Handlung (z. B. Hetze, Gewalt, Diskriminierung), sondern die innere Haltung, die er aus kritischen Äußerungen ableitet. Ein legitimer Diskurs wird so zu einem vermuteten „geistigen Nährboden“ für Verfassungsbruch umgedeutet. Ein Gesinnungsurteil – kein Verhaltensurteil.
Kritik oder Verachtung? Eine gefährliche Grauzone
Natürlich gibt es echte Islamfeindlichkeit: plumpe Hetze, pauschale Abwertung, rassistische Verallgemeinerung. Aber genau hier muss unterschieden werden – zwischen sachlicher Kritik an patriarchalen Strukturen, Zwangsverhüllung, Paralleljustiz und verächtlicher Ablehnung der Muslime als Menschen.
Das Gutachten aber macht diese Unterscheidung kaum.
Es interpretiert jede grundsätzliche Ablehnung des Islam – selbst in politischer Form – als Hinweis auf Verfassungsfeindlichkeit. Doch was ist mit Atheisten, Säkularisten, Ex-Muslimen oder liberalen Muslimen selbst, die ihre Religion hinterfragen? Gehören sie jetzt auch nicht mehr „zu Deutschland“?
Der Umkehrschluss: Wer den Islam kritisiert, lehnt Deutschland ab?
Wenn man der Logik des Gutachtens folgt, ergibt sich eine paradoxe Wendung:
Wer den Islam kritisiert, steht gegen das Grundgesetz. Also gehört der Islam per se zur freiheitlichen Demokratie.
Damit hatte Altbundespräsident Wulff offenbar recht – aber nicht im Sinne einer offenen Debatte, sondern als staatlich festgeschriebene Grundwahrheit. Der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ ist kein Ausdruck pluralistischer Anerkennung mehr – er ist stillschweigend zur Bedingung der Verfassungstreue geworden.
Schlussgedanken: Der Verlust der Kritik als Freiheitsrecht
Was wäre, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz die gleiche Logik auf das Christentum anwenden würde? Auf Kirchenkritik? Auf konservative Religionsethik? Oder auf den Feminismus? Die Klimabewegung? Darf man gesellschaftliche Prägungen nur dann kritisieren, wenn sie nicht „identitätsstiftend“ für bestimmte Gruppen sind?
Die Demokratie lebt vom Streit – auch vom religiösen. Wer Kritik an Weltanschauungen, Glaubenssystemen oder Kulturformen zur Staatsfeindschaft erklärt, verlässt das Terrain der Freiheit und betritt das Feld der Meinungshygiene.
Der Islam gehört zu Deutschland? Vielleicht. Aber zur Demokratie gehört vor allem: das Recht, das zu bezweifeln.
Extremismus ohne Tat – Die „gesamtheitliche Betrachtung“ als neue Waffe des Staates
Verfassungsfeinde erkennt man an ihren Taten – so dachte man bisher. Wer Gewalt anwendet, zur Abschaffung demokratischer Ordnung aufruft oder die Menschenwürde aktiv verletzt, der muss vom Staat beobachtet werden. Doch das neue Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) zur AfD bricht mit dieser Tradition. Es vollzieht einen Paradigmenwechsel: Nicht mehr das Konkrete zählt, sondern das Atmosphärische. Nicht das Handeln, sondern das Gesamtbild.
Das Stichwort lautet: „gesamtheitliche Betrachtung“ – und es verdient mehr Aufmerksamkeit, als es bislang bekommen hat. Denn diese Formel ist nicht nur juristisch problematisch. Sie verändert stillschweigend das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, zwischen Meinung und Macht.
Die neue Architektur der Bedrohung
Statt auf explizite Aufrufe zur Gewalt, staatsgefährdende Aktionen oder konkrete Organisationsstrukturen zu verweisen, setzt das Gutachten auf die Summe vieler kleiner Mosaiksteine:
- Aussagen von Einzelpersonen, teils Jahre alt.
- Programmpassagen mit mehrdeutigen Begriffen.
- Kontakte zu anderen Personen mit problematischem Ruf.
- Und vor allem: ein Gefühl, dass „etwas nicht stimmt“.
Daraus wird eine Matrix gebaut – und diese Matrix ergibt ein Bild: verfassungsfeindlich. Nicht wegen eines einzelnen Beweises, sondern wegen der Gesamtkomposition. Das erinnert an Methoden der Kunstkritik – aber ist es auch juristisch belastbar?
Recht ohne Grenze – Gefahr durch Unschärfe
Die „gesamtheitliche Betrachtung“ ist kein juristisch kodifizierter Begriff. Er taucht weder im Grundgesetz noch in der Strafprozessordnung auf. Und genau das ist das Problem:
Wenn ein Staat beginnt, politische Gesinnung durch Interpretation eines Gesamtbildes zu beurteilen, öffnet er der Willkür Tür und Tor.
Denn was gehört alles in dieses Gesamtbild?
– Der Tonfall?
– Die falschen Freunde?
– Das Weglassen bestimmter Themen?
– Ironie?
– Gedankenexperimente?
Plötzlich wird die Grenze zwischen Meinung und Verfassungsbruch nicht mehr durch klare juristische Definition gezogen, sondern durch subjektive Auslegung. Was dem Verfassungsschützer als feindlich erscheint, wird zum Anzeichen für Extremismus – auch wenn es einzeln völlig legal ist.
Die Rückkehr der Gesinnungsjustiz?
Die Geschichte kennt solche Methoden. In der DDR wurde durch die Stasi beobachtet, wer „staatszersetzend wirkte“, auch wenn keine konkrete Handlung vorlag. In McCarthy-Zeiten reichte die bloße Nähe zum Kommunismus, um das Leben eines Menschen zu zerstören.
Heute sind wir nicht in einer Diktatur. Aber das Instrument verändert sich. Es ist leiser, juristisch geschulter, demokratisch verpackt – und dennoch gefährlich:
Die „gesamtheitliche Betrachtung“ verschiebt das Fundament der Verfassung vom Recht auf Meinung zur Pflicht zur Konformität.
Kritik an der Kritik – und ihre Unterdrückung
Besonders perfide wird das Ganze, wenn man das Konstrukt auf sich selbst anwendet:
Was wäre, wenn man das Bundesamt selbst einer „gesamtheitlichen Betrachtung“ unterzöge?
Strategie der politischen Neutralisierung unliebsamer Parteien.
Ergibt das – im Gesamtbild – nicht auch ein problematisches Muster? Wer bestimmt, wann das Bild stimmig ist – und wann gefährlich?
- Jahrzehntelange Verharmlosung rechter Netzwerke.
- Geheimhaltung von Gutachten.
- Nähe zu Regierungslinien.
- Strategie der politischen Neutralisierung unliebsamer Parteien.
Ergibt das – im Gesamtbild – nicht auch ein problematisches Muster? Wer bestimmt, wann das Bild stimmig ist – und wann gefährlich?
Fazit: Der neue Autoritarismus trägt Maßanzug
Die „gesamtheitliche Betrachtung“ ist keine juristische Kategorie, sondern eine Deutungsmacht. Sie ersetzt Beweise durch Deutungen, Klarheit durch Konnotationen, Verantwortung durch Verdacht.
Man muss die AfD nicht mögen, um diesen Mechanismus gefährlich zu finden. Denn was heute gegen politische Ränder eingesetzt wird, kann morgen gegen jede unliebsame Haltung verwendet werden.
Was hier geschieht, ist keine offene Zensur. Es ist eine semantische Verschiebung: vom Recht auf Meinungsfreiheit zur Verpflichtung, im richtigen Ton zu sprechen. Vom Beweis zur Interpretation. Vom Delikt zur Haltung.
Die Frage, die bleibt, ist ebenso alt wie brisant:
Wollen wir Bürger einer offenen Gesellschaft sein – oder Objekte eines atmosphärischen Überwachungsstaats?
„Systemparteien“ als Straftat?
Über den schmalen Grat zwischen Rhetorik und Repression
Demokratie lebt vom Streit – das lernen Schüler in der politischen Bildung. Vom argumentativen Ringen, vom Gegeneinander der Meinungen, von der Freiheit, den Dingen auch andere Namen zu geben. Doch wer heute bestimmte Begriffe gebraucht, riskiert mehr als einen empörten Blick. Er riskiert – so das aktuelle Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz – die Beobachtung durch den Staat.
Was ist passiert?
Begriffe wie „Altparteien“, „Systemparteien“, „linksgrüne Ideologie“ oder „Regime“ werden im AfD-Gutachten als Belege für eine verfassungsfeindliche Haltung interpretiert. Nicht weil sie Gewalt fordern oder zur Abschaffung des Parlaments aufrufen – sondern weil sie, so das BfV, eine „Delegitimierung des demokratischen Systems“ darstellten.
Doch was bedeutet das konkret? Darf man die Regierung nicht mehr scharf kritisieren? Oder anders gefragt: Ist politische Sprache jetzt ein Sicherheitsrisiko?
Rhetorik ist kein Verbrechen
Zugegeben: Begriffe wie „Systemparteien“ haben Schärfe. Sie unterstellen eine Art politisches Kartell, ein undurchdringliches Machtgefüge, in dem Parteien nicht mehr im Sinne der Bürger handeln, sondern sich gegenseitig stützen. Es ist Polemik. Aber es ist auch – zutiefst demokrisch.
Denn genau das ist der Zweck der Opposition: Missstände benennen, Zuspitzungen wagen, Machtkritik üben. Wer das nicht tut, ist keine Opposition, sondern Kulisse.
Die politische Sprache lebt von Metaphern. Franz Josef Strauß sprach vom „roten Sumpf“, Joschka Fischer nannte seine Gegner „Salonfaschisten“. Gregor Gysi sprach vom „neoliberalen Einheitsblock“. All das war hart – aber nie ein Fall für den Verfassungsschutz.
Warum also jetzt?
Das neue Deutungsspiel: Sprache als Gefahr
Das Problem liegt in der Subjektivierung des Verfassungsbegriffs. Wenn nicht mehr nur Handlungen, sondern Sprachbilder als verfassungsfeindlich gelten, betreten wir ein gefährliches Terrain.
- Ist „Regime“ ein legitimer Ausdruck politischer Kritik – oder schon eine Form der Delegitimierung?
- Ist „Altpartei“ ein historischer Begriff (wie in der Weimarer Republik) – oder eine gezielte Abwertung demokratischer Vielfalt?
- Ist „linksgrüne Ideologie“ eine Meinungsäußerung – oder bereits eine Extremismusanzeige?
Wenn der Staat hier entscheidet, was erlaubt ist, entsteht kein Rechts-, sondern ein Deutungsstaat. Ein Staat, der nicht mehr sagt: „Was tust du?“, sondern: „Was meinst du wirklich?“
Der Bürger als Sprachsünder?
Die eigentliche Gefahr liegt darin, dass der politische Diskurs vor sich selbst geschützt werden soll. Wer bestimmte Begriffe benutzt, ist nicht mehr einfach nur pointiert – sondern verdächtig. Die Folge: Sprachdisziplin ersetzt Meinungsfreiheit.
Das ist umso heikler, weil viele dieser Begriffe nicht originär rechtsextrem sind:
- „Systempresse“ wurde auch in linken Kreisen verwendet.
- „Altparteien“ war Bestandteil der Piratenrhetorik.
- „Regime“ – ein Begriff, den Dissidenten weltweit nutzen.
Wenn diese Vokabeln nun kriminalisiert oder als Beobachtungsgrund gewertet werden, entsteht ein Klima der Einschüchterung – nicht für Radikale, sondern für alle, die sich außerhalb des Parteienkonsenses bewegen.
Zwischen Kritik und Ketzerverfolgung
Kritik an der Regierung – auch scharfe – ist kein Angriff auf die Demokratie, sondern ihr wichtigstes Korrektiv. Demokratie bedeutet nicht, die Institutionen zu verehren, sondern sie ständig zu hinterfragen. Wer Sprache kontrolliert, kontrolliert Denken. Wer Denken kontrolliert, beendet Debatte.
Am Ende steht eine paradoxe Erkenntnis:
Der Staat behauptet, die Demokratie zu schützen – indem er das sagt, was in ihr nicht mehr gesagt werden darf.
Freiheitskanzlei-Podcast zum Thema:
* Tina, Matthias und ihre Podcast-Zusammenfassung wurden mit KI erstellt.