Direkte Mitbestimmung wurde bislang systematisch verhindert

von | 19.01.2023 | Aktuell, Rethink

In der Vergangenheit wurden verschiedene Versuche unternommen, um Bürger an der politischen Willensbildung und Entscheidungen zu beteiligen. Neben den seltenen Wahlen, die alle vier bis fünf Jahre stattfinden, sind hier vor allen Dingen Volksentscheide und Petitionen zu nennen. Hier sind sehr hohe Hürden durch die Politik geschaffen worden, um in wenigen und seltenen Fällen dem einzelnen Bürger zu ermöglichen, ein solches Verfahren in Gang zu bringen. Es ist in beiden Fällen eher die Rolle eines Bittstellers, der mit sehr viel Aufwand überhaupt mal seine Meinung äußern darf, um dann gleichzeitig doch häufig einfach wieder ignoriert und von Politikern überstimmt zu werden.

Aus Sicht von Politikern sind Volksentscheide und Volksabstimmungen schwer akzeptierbar, weil eben nicht genau vorherzusehen ist, wie die Bevölkerung sich verhält und entscheiden wird. Nicht einmal innerhalb einer Partei möchte man die Basis einbinden und wenn es dann doch mal bei der Wahl eines Parteivorsitzenden geschieht, ist das Ergebnis nicht selten eine mittlere Katastrophe.

Daneben haben sich Gewerkschaften etabliert, die jedoch häufig nur eine kleine Klientel und auch nur Erwerbstätige vertreten. Transferleistungsempfänger, Kinder, Senioren, Unternehmer und Arbeiter und Angestellte in anderen Branchen werden nicht vertreten. Eine Gewerkschaft ist damit auch immer „nur“ für eine bestimmte Klientel unterwegs.

Im Ergebnis vieler Versuche ist es bis heute dabeigeblieben, dass Bürger eben alle paar Jahre mal Politiker aussuchen können, die sich inhaltlich nur noch wenig voneinander unterscheiden und darauf hoffen, dass sie ihre Arbeit gut machen werden. Die Idee, weisungsgebundene Repräsentanten zu entsenden bzw. weisungsgebunden Einfluss auszuüben ist dennoch nicht zu Ende dekliniert. Es gibt aus Sicht der Mächtigen sehr nachvollziehbare Gründe, warum dies auch möglichst so bleiben sollte. Diese rund 800 Menschen im Bundestag sind natürlich viel einfacher zu beeinflussen und zu steuern und auch zu erpressen als Millionen von Menschen. Aus Sicht der Mächtigen im Land ist es daher sehr bequem, dass mit wenigen „Entscheidern“ alle zentralen Dinge direkt geklärt werden können. Ob dabei der Wille des Volkes, der meist nur diffus und abstrakt bleibt, herauskommt, ist völlig unwichtig. Solange die Bürger am Wohlstand teilhaben und die Politiker ihre Macht nicht zu grob missbrauchen, hatte man sich damit bislang arrangiert.

Faktisch werden die Bürger so gut wie nie direkt gefragt, wie sie entscheiden wollen. Es wird in Umfragen bei 1 bis 2.000 Menschen eine Meinung abgefragt, die dann der Beweis dafür sein soll, wie das ganze Volk denkt. Wir haben uns daran gewöhnt, zu glauben, dass alle Menschen das finden, was die irgendwie ausgewählten 2.000 Bürger einem Meinungsforscher mitgeteilt haben.

Wirklich Mächtige haben schon immer gewusst, wie sie ihre Interessen durchsetzen. Nämlich indem sie konkrete Lobbyisten bezahlen und die tatsächlichen Entscheider im Staat direkt bearbeiten. Mit freundlicher Aufklärung, mit sanftem und hartem Druck – aber immer mit glasklarem Ziel und Absichten und erheblichen Ressourcen. Diesen Weg kann ein einzelner Bürger, wenn er nicht vermögend ist, nicht beschreiten. Wirklich Mächtige wollen nicht nach ihrer Meinung gefragt werden, sondern sie wollen, dass ihre Entscheidungen umgesetzt werden. Das wollen die Bürger eigentlich auch, halten es aber gar nicht für möglich, dass jemand sie wirklich entscheiden lässt.

Der Bürger kann heute nur ohnmächtig zuschauen, wie Politiker völlig autark agieren. Demonstrationen werden häufig nicht erlaubt und Gewerkschaften und Parteien scheinen vor allen Dingen mit sich selbst und Posten beschäftigt zu sein.

 

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